Blumen anderer Art

01.07.2025

Anselm Kiefer mit "Wasserfarben" im Nolde Museum Seebüll

Flammende Blüten in leuchtenden Farben, bewegte Himmel in fliegendem Duktus: Die norddeutsche Landschaft und der eigene Garten versorgten Emil Nolde (1867-1956) zuverlässig mit Inspiration. Der Maler hatte sich 1930 zusammen mit seiner Frau Ada in seinem selbst entworfenen Künstlerhaus in Seebüll niedergelassen und schrieb sich später mit seinen farbgewaltigen Werken in das kollektive Gedächtnis deutscher Nachkriegsgesellschaft ein. Dabei feilte der Expressionist an einem lupenreinen Image: Er verheimlichte seine NSDAP-Parteizugehörigkeit und Begeisterung für die Nationalsozialisten, die ihn ihrerseits verfemt hatten.

Nun ist Anselm Kiefer (*1945) in diesem Sommer mit der Ausstellung Wasserfarben zu Besuch in Seebüll. Ein Novum, denn seit das Anwesen nach dem Tod Noldes 1956 in eine Stiftung und damit in eine museale Nutzung übergegangen ist, wird hier zum ersten Mal ein lebender Künstler gezeigt.

Passenderweise tritt Anselm Kiefer dem Kollegen mit einer Auswahl von Landschafts-Aquarellen entgegen, einem Medium, das Nolde in puncto Farbigkeit und Duktus revolutionierte. Gleichzeitig könnte die Diskrepanz auf inhaltlicher Ebene nicht größer sein, da es wohl kaum einen deutschen Künstler gibt, der die Geschichtsklitterung der Wirtschaftswunderjahre mehr angeprangert hätte als Kiefer.

Eine kluge Wahl also und eine spannende Begegnung über zwei Epochen hinweg. 

kunst:art Nr. 104, Juli/August 2025